Foodservice Digital-Hub
„Frage des Überlebens“
Ein neues Netzwerk aus Foodservice und Forschung will gemeinsam die digitale Transformation der Gastronomie begleiten und vorantreiben. Bei einem Treffen zum einjährigen Bestehen wurden im Sommer die Ergebnisse der ersten Monate resümiert und die Weichen in Richtung Zukunft gestellt.

GastroSpiegel, 15.09.2022 – Personalmangel, steigende Energie- und Lebensmittelkosten, Lieferkettenprobleme, verändertes Gästeverhalten – die Herausforderungen für die ohnehin durch die Corona-Pandemie schwer belastete Gastronomie-Branche sind vielfältig. Ein Zusammenschluss aus Branchenvertretern und Forschung soll hier Lösungen schaffen. „Der Foodservice Digital Hub beschäftigt sich mit der Frage, welchen Beitrag die Digitalisierung leisten kann, um Gastronomen und Gastronominnen in dieser schwierigen Situation zu unterstützen”, erklärt Katharina Blöcher, Doktorandin an der Universität Leipzig und eine der Initiatorinnen, die Idee und Aufgabenstellung des Netzwerks.

Entlastungen schaffen

Denn die vor allem durch vielfältige kleine und mittelständische Unternehmen geprägte Gastronomiebranche passe sich vergleichsweise langsam an digitale Entwicklungen und Gästebedürfnisse an. Allerdings hat die Corona-Pandemie laut den Netzwerk-Experten zu einer entscheidenden Trendwende geführt: Auf der Suche nach Wegen aus der Krise erkennen Gastronomen demnach zunehmend die Möglichkeiten der Digitalisierung. „Der Einsatz verschiedenster Technologien sowie die Digitalisierung von Prozessen helfen dabei, effizienter zu arbeiten und die verbliebenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu entlasten”, sagt Blöcher. Mehr noch: „Digitalisierung ist in der Branche zu einer Frage des Überlebens geworden”, betont sie. Das Spektrum reicht von der digitalen Bestellung über neue Businessmodelle wie Online-Tastings bis hin zu administrativen Prozessen wie Buchhaltung, Personalplanung und Warenwirtschaft oder Payment-Lösungen.

Digitalisierung als Herausforderung und Chance

Anders als die großen Systemgastronomen müssten die kleinen und mittelständischen Unternehmen die kritischen Fragen der Digitalisierung ohne die Hilfe eigener IT-Abteilungen bewältigen. „Auf dem Markt existieren zahlreiche Lösungen für die verschiedenen Aufgaben in der gastronomischen Wertschöpfungskette. Die Frage ist, wie sie das Digitalisierungswissen zur Stärkung ihrer Prozesse erlangen”, berichtet Rainer Alt, Professor am Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität Leipzig. „Auch wenn Dienstleister hier unterstützen können, so ist Wissen für die Verhandlung auf Augenhöhe und die Funktionalität der Systeme wichtig”, ergänzt er. Infolge des personellen Engpasses bestehe das Risiko, dass technologische Entwicklungen und Chancen digitaler Dienste häufig ungenutzt blieben. Auch Defizite in der angebotenen Gastronomie-Technologie-Landschaft wie etwa fehlende Systemschnittstellen und Interoperabilität zwischen Systemen würden die erfolgreiche Digitalisierung in der Praxis behindern.

Veranstaltungen und Forschung

Mit dem Anspruch, die digitale Transformation der Gastronomie aktiv mitzugestalten, starteten 16 Gründungspartner aus Forschung und Praxis im September 2021 das deutschlandweite Netzwerk Foodservice Digital-Hub. Der von der Universität Leipzig und TNC Production initiierte Zusammenschluss wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des ZIM-Innovationsprogramms gefördert. Mit den beiden zentralen Säulen Veranstaltungen und Forschung hat der Foodservice Digital-Hub das Ziel, Wissen zu Technologien und Best Practices für die Branche zu vermitteln sowie relevante Forschungsinitiativen anzustoßen. Im Netzwerk arbeiten führende Branchenvertreter Hand in Hand mit innovativen Start-ups und Partnern aus der Forschung, um neue digitale Lösungen und Zukunftsszenarien zu entwickeln.

Erste Ergebnisse

Im Rahmen einer Netzwerkveranstaltung in Berlin blickten im Sommer rund 40 Teilnehmer auf die Ergebnisse der letzten Monate zurück. Schwerpunkt der Aktivitäten waren bislang verschiedene Think Tanks, in denen branchenrelevante Themen mit dem Ziel diskutiert wurden, marktnahe und innovative Anwendungen zu entwickeln. So entstand beispielsweise für ein italienisches Pizza-Konzept der Prototyp eines digitalen Avatars, der Bestellungen entgegennimmt und die Gäste zukünftig während des Prozesses berät. Auf diese Weise sollen Service-Mitarbeiter entlastet und über gezielte Ansprache Zusatzverkäufe generiert werden.

Zentrale Themen des Austauschs während der Netzwerkveranstaltung waren auch Plattform-Ansätze sowie das umfassende Datenmanagement zwischen allen Beteiligten in der gastronomischen Wertschöpfungskette. So diskutierten die Vertreter von Unternehmen wie Sell & Pick, Peter Pane, Nordmann F&B sowie der Enchilada-Gruppe die Relevanz von Business Intelligence-Lösungen für die Gastronomie und die Chancen von Assistenzsystemen, die Gastronomen unterstützen, indem sie die richtigen Erkenntnisse aus Daten ziehen oder – sofern gewünscht – auch autonom Entscheidungen treffen.

Vernetzung von Branchenführern

Ziel des Netzwerktreffens war es außerdem, die zukünftige Ausrichtung des Netzwerkes vorzustellen. „Unsere Schwerpunkte werden auf der Vernetzung von Branchenleadern, dem frühzeitigen Erkennen von Trends, der Erarbeitung von Lösungen und der digitalen Wissensförderung liegen”, erklärt Michael Kuriat, Geschäftsführer der TNC Group. „Unsere Arbeit wird darin bestehen, einerseits mit vielfältigen Formaten wie Webinaren, Vorträgen, Hackathons und Panel-Diskussionen Plattformen für den Austausch von Wissen und Inspirationen zwischen Experten und Expertinnen aus Technologie und Foodservice zu schaffen und parallel mit Forschungseinrichtungen zusammenzuarbeiten”, erläutert Kuriat weiter. Die bisher an der Universität Leipzig verortete Organisation soll in Zukunft durch eine Ausgründung des Netzwerkes eigenständig durchgeführt werden, aber weiter in enger Zusammenarbeit mit dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Leipzig stattfinden.

Internationale Kooperationen

Dabei setzt das Netzwerk auf Kooperationen, wie zum Beispiel mit dem „Foodservice Innovation Lab by Dussmann“. Auch national und international tätige Unternehmen wie die Enchilada Gruppe, Peter Pane, Foodnotify oder die Paulaner Brauerei-Gruppe unterstützen die Netzwerkarbeit. Wichtiger Gründungspartner war außerdem der Leaders Club Deutschland. Darüber hinaus besteht eine Kooperation mit dem internationalen Beraternetzwerk FCSI, um Veranstaltungsformate wie den FCSI-Stammtisch im Herbst gemeinsam durchzuführen. „Wir sehen hier viele Synergien und sind überzeugt, dass die Expertise des Branchennetzwerks unsere Stammtische noch relevanter für unsere Mitglieder und Kunden machen wird”, betont Thomas Mertens, FCSI-Beirat Digitalisierung, und ergänzt: „Wir freuen uns auf die Premiere beim 4. FCSI-Stammtisch am 24. November in Berlin.”

Beratungs- und Forschungsinstitute unterstützen das Netzwerk darüber hinaus mit ihrer Branchenexpertise und methodischem Wissen. So unterstützt das Fraunhofer IDMT in Oldenburg die Partner durch seine Kompetenz in der Integration von Spracherkennung, beispielsweise zur Erweiterung virtueller Bestellassistenten um Lösungen zur Sprachinteraktion. Dabei ist in der Gastronomie vor allem die Zuverlässigkeit in lauter Umgebung und Datenschutz besonders wichtig, damit keine persönlichen Gespräche von Gästen, sondern lediglich die gewünschten Bestellungen den Tisch verlassen. Das Netzwerk steht grundsätzlich interessierten Gastronomen und Partnern aus Praxis und Forschung offen, die sich beteiligen möchten.

sn

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